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Na, denken Sie, im Hafen muss ich mal nachsehen, was da los ist. Erst mal dort sein. Dann stellen Sie zum wiederholten Mal fest, was für ein heftiger Schwell im Hauptfahrwasser steht. Unglaublich, wie das Schiff zu Kehr geht, und das ohne nennenswerte Windwirkung. Jetzt haben Sie den Radarturm wie geplant erreicht und wollen zu „Stromluv“ haarscharf an den Leitpfählen mit den Fangtrossen in die Einfahrt einbiegen. Da setzt der Motor aus. Herrgott nochmal! Muss das jetzt sein? Das noch stehende Großsegel nützt Ihnen gar nichts, an Freisegeln ist nicht zu denken. Blitzartig treiben Sie in die Katastrophe. Schon knallen Sie gegen die Spundwand der Seebäderbrücke. Sie versuchen sich abzustoßen, um dem Schiff einen Impuls Richtung Fahrwasser zu geben. Es nützt nichts, schon nähern Sie sich unter mehrfachem Anprall an die Spundwand unaufhaltsam der Rampe des RoRo-Terminals, das Ihnen jetzt wie das Maul einer Schrottpresse erscheint. Es gibt kein Entrinnen. Und schon sitzen Sie mit schrecklichen Geräuschen fest. Das Rigg verfängt sich oben, unten dreht der Ebbstrom Ihr Schiff quer und bringt es in erschreckende Schräglage. Schweißgebadet wachen Sie auf.

Weiter soll dieses Szenario nicht ausgemalt werden. Leider ist es real. Einige Male ist es schon Wirklichkeit geworden, zuletzt am 9. September 2010, als es eine bildschöne Hamburger Yacht traf. Zwar war der nahebei stationierte Seenotretter blitzschnell zur Stelle und verhinderte noch Schlimmeres, aber für den Schipper und die anwesenden Beobachter war es ein „größter anzunehmender Unfall“.

Wir wissen nicht, warum die Maschine aussetzte. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine dieser Möglichkeiten ist aber die „Dieselpest“, und ihr Auftreten nimmt zu. Ende der achtziger Jahre fiel es auf, dass Schiffs- und Bootsdieselmotoren im Mittelmeer und an der französischen Atlantikküste vermehrt lahmgelegt wurden. Als Verursacher fand man eine mikrobakterielle Verunreinigung der Dieseltanks. Was keiner für möglich gehalten hatte, wurde bestätigt: Im Dieselkraftstoff können winzige Organismen leben, allerdings benötigen sie Wasser, um sich zu vermehren. Das ist in geringen Mengen in fast jedem Tank vorhanden, z.B. infolge Kondensation, und sammelt sich im Sumpf, da es schwerer als der Kraftstoff ist. Wenn die Organismen genügend Nachwuchs erzeugt haben, gelangen sie in das Saugrohr der Kraftstoffleitung, von dort in den Filter und verstopfen diesen. Das kann vielleicht eine Weile dauern. Schlimmer ist es, wenn sich ein ganzer „Schleimbeutel“ im Tank gebildet hat und mit einem Mal das Saugrohr verstopft. Dann kommt die Maschine schlagartig zum Stehen.

Früher meinte man, nur die Temperaturen der warmen südlichen Gewässer würden die Dieselpest-Bildung ermöglichen, Motoren in Nord- und Ostsee blieben verschont. Das hat sich nicht bewahrheitet. Möglicherweise hat ein Umstand dazu beigetragen, dass auch in unseren Gewässern die Dieselpest auftritt, nämlich die zunehmende Beimengung von „Biodiesel“, der z.B. aus Raps erzeugt wird, zum handelsüblichen Dieselkraftstoff.

Die EU-Direktive 2003/30/EC vom Mai 2003 fordert Sicherstellung durch die EU-Mitgliedstaaten, dass ab 31. 12. 2005 mindestens 2% und bis zum 31. 12. 2010 mindestens 5,75% der Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen stammen müssen, im Wesentlichen also biogenen Ursprungs sind. Das ist offensichtlich Futter für die Organismen. Deutschland ist übrigens Vorreiter bei der Umsetzung der EU-Richtlinie.

Wikipedia, woher der Verfasser den größten Teil seiner Weisheiten hat, notiert: „Seitdem ein fester Prozentsatz an Biodiesel gemäß gesetzlicher Auflagen zugesetzt wird, kann eine vermehrte Algenbildung festgestellt werden.“

Was also tun, um den Alptraum nicht Wirklichkeit werden zu lassen? Einen ersten Hinweis gibt der jährliche Filterwechsel anhand des Verschmutzungsgrades. Aber das reicht nicht. Jeder Boots-Dieseltank sollte (eigentlich) zugänglich sein und einen Mannlochdeckel zur Inspektion haben. Eine Werft, die dafür nicht sorgt, gehört zur Rede gestellt. Dann empfiehlt es sich, in größeren Abständen – einmal jährlich oder alle zwei bis drei Jahre, wer weiß das schon? – den Tank vollständig zu entleeren und mit einem sauberen Tuch gründlich auszuwischen. Außerdem und zusätzlich empfiehlt sich dringend, bei jedem Tanken ein geeignetes Additiv zuzusetzen, um den Organismen das Leben schwer zu machen. Solche Zusätze haben die Schiffsausrüster und Bunkerstellen im Regal. Und schließlich fülle man seinen Dieseltank vor der Wintereinlagerung bis zum Rand voll, damit sich möglichst kein Kondenswasser bilden kann. Das war schon immer ein guter Rat, aber heute bekommt er noch mehr Bedeutung, weil damit den Organismen die Lebensgrundlage Wasser entzogen wird.

Vor dem Alptraum kann Sie keiner schützen. Wahrscheinlich ist er sogar heilsam. Aber Sie können etwas dafür tun, dass es ein Traum bleibt.

 

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