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Und noch etwas: Man sieht, dass es nicht reicht, ein Radargerät installiert zu haben, man muss es auch bedienen und auswerten können. Beides unterrichten wir im Rahmen unseres Kurses zum Sportseeschifferschein. (Anm. d. Red.)  

(von Ted Osborn aus der Zeitschrift „Cruising“, Mai 2008)

Übersetzung aus dem Englischen von Dr. Jens Kohfahl

 

Der Untersuchungsbericht des „Marine Accident Investigation Branch“ (Britische Seeunfall- Untersuchungsstelle) über ein Ereignis, welches sich am 16. April 2007 ungefähr 6sm ost-südöstlich von Lowestoft ereignet hatte, wurde jetzt veröffentlich. Es ist die banale Geschichte von zwei Fahrzeugen und einer durch Radar „unterstützten“ Kollision. Beide Schiffe versuchten das Richtige zu tun, aber beide irrten sich teilweise. Hieraus ergeben sich viele Lehren für uns alle.

Dies ist die Geschichte:

Die Yacht „Whispa“ ist eine hübsche Slup („one-off design“) mit Deckshaus und doppelter Radsteuerung, in Kompositbauweise aus Holz und Kunststoff gebaut und von 15m Länge. Sie war 1998 nach unglaublich stabilen Kriterien konstruiert worden. Sie war ausgesprochen gut ausgerüstet und erst im Monat davor begutachtet und zertifiziert worden, um als Charterschiff unter dem „Small Vessel Code“ fahren zu dürfen. Sie befand sich mit dem Eigner und einem weiteren Besatzungsmitglied an Bord auf der Überfahrt von Ramsgate nach North Shields.  Der Eigner und Skipper war ein sehr erfahrener Charterbooteigner, mit der Qualifikation eines „Yachtmaster Offshore“, sein Crewmitglied hatte 30 Jahre weltweite Segelerfahrung als Überführungscrewmitglied und besaß die formelle Qualifikation eines „Coastal Skipper’s“.

 

Die „Gas Monarch“ ist ein 4.402 BRT großer Flüssigkeitsgastanker, auf den Bahamas registriert und mit philippinischer Crew fahrend. Sie ist 99m lang und befand sich zum Zeitpunkt des Ereignisses auf der Route von Imingham nach Portugal, teilweise beladen mit etwa 2.500 Kubikmetern Gas.

 

Die beiden Schiffe begegneten sich um 21:39 in einer dunklen und nebligen Nacht, in der die Sichtweite zwischen 50 und 150 m betrug. Der Wind war mäßig und es bestand etwas Seegang. „Whispa“ fuhr mit 4,5 kn nach Norden, die „Gas Monarch“ mit 12 kn plus 2kn Strom nach Süden.

 

Beide Schiffe hatten ihren Hafen bei gutem Wetter verlassen, auch wenn Nebel vorhergesagt worden war. Als sie kollidierten betrug die Sicht schon längere Zeit nur etwa 100 m. Der Kapitän des „Gas Monarch“ war ein bisschen verunsichert wegen der Sicht und hatte die Verhältnisse mehrfach gecheckt bevor er die Brücke verließ, um sich hinzulegen. Er gab jedoch keine Anweisung, das Nebelhorn zu bedienen oder die Geschwindigkeit zu reduzieren. Er ließ seinen 3. Offizier Wache gehen, obwohl dieses seine erste Reise nach dem Examen war. Weiterhin befand sich noch ein Seemann als Ausguck auf der Brücke.

 

Auf „Whispa“ waren die Segel mit Beginn des Nebels geborgen worden und man fuhr unter Autopilot. Der Skipper befand sich alleine auf Wache. Er befand sich die meiste Zeit im Deckshaus, wo er den Radarschirm beobachten und auch durch die Fenster nach Voraus schauen konnte. Zusätzlich ging er alle paar Minuten ins Cockpit, um einen umfassenden Rundum - Blick nehmen zu können.

 

Beide Schiffe waren mit Radar ausgerüstet und beide benutzten dieses in erster Linie, um „Ausschau“ zu halten. Sie näherten sich einander frontal mit einer Geschwindigkeit von 18 kn. Die „Gas Monarch“ entdeckte „Whispa“ in einer Entfernung von 6 sm und schätzte die Situation auch so ein, dass man sich auf einem Kollisionskurs befand. In 5,5 sm Entfernung änderte man den Kurs um 5 Grad nach Backbord, um einander an Steuerbord („grün-zu-grün“) mit einer dichtesten Annäherung von 1 sm zu passieren. Man änderte den Kurs deshalb nicht nach Steuerbord, da Untiefen etwa in 3 sm Entfernung lagen. So weit so gut, mit Ausnahme der Tatsache, dass die Entfernung zu den Untiefen eigentlich nicht von einer Kursänderung nach Steuerbord hätte abhalten sollen, wie es von den Kollisionsverhütungsvorschriften gefordert wird (Regel 19! – Anm. d. Verf.).

 

Als die Schiffe noch 3 sm voneinander entfernt waren, wurde der Punkt der dichtesten Annäherung noch mal mit 0,7 sm bestimmt, kurz danach ging der Radarkontakt verloren. Auf der „Gas Monarch“ hatte meine keine Vorstellung, wo sich die Jacht jetzt befand, aber man verlangsamte noch immer nicht die Fahrt oder betätigte das Nebelhorn.

 Das MAIB stellt hierzu fest:

Der 3.Offizier informierte seinen Ausguck, dass der Radarkontakt verloren gegangen sei  und dass er besonders scharf Ausschau halten solle. Während „Gas Monarch“ sich „Whispa“ schnell näherte, ging der 3. Offizier seinen Routineaufgaben auf der Brücke nach und trug etwa 3 Minuten vor der Kollision noch eine Schiffsposition in die Seekarte ein. Kurz danach tauchte das grüne Licht von „Whispa’s“ Dreieinigkeitslampe im Topp deutlich vor dem Steuerbordbug von „Gas Monarch“ auf. Der 3. Offizier griff die Aldis – Lampe, leuchtete damit auf „Whispa“, instruierte den Ausguck, die Ruderanlage auf Handbetrieb umzuschalten und hart Ruder nach Steuerbord zu geben, um kurz danach hart Backbordruder zu legen, als das Schiff angefangen hatte, auf die Kursänderung zu reagieren. Das Ausweichmanöver war jedoch nicht erfolgreich und die beiden Schiffe kollidierten um 21Uhr 39. 

„Whispa“ entdeckte die „Gas Monarch“ auf dem Radar ebenfalls in 6 sm Entfernung, gerade am Rand des Bildschirms und augenscheinlich gut an Backbord voraus. Der Kontakt wurde nicht mitgeplottet, aber der Generalkurs wurde optisch verfolgt. Bei einer Annäherung auf 3 sm war der Skipper nunmehr der Meinung, dass sich jetzt eine Kollisionssituation entwickeln würde. Bei einer Entfernung von 2,5 sm drückte er den 10°- Kursänderungsknopf am Autopiloten 5x, um 50° nach Steuerbord zu gelangen und änderte die Einstellung am Radar auf den 3 sm Bereich. Das Radarbild zeigte an, das sich „Gas Monarch“ noch immer auf einem möglichen Kollisionskurs näherte, diesmal aus einer Richtung von 50° von Backbord kommend. Der Skipper änderte den Kurs um weitere 20° nach Steuerbord, aber „Gas Monarch“ näherte sich weiterhin mit stehender Peilung.

Das MAIB führt hierzu aus:

Der Yachtskipper eilte vom Navigationsbereich ins Cockpit, gab mit der Maschine „Voll Voraus“, schaltete den Autopiloten aus und legte die Yacht auf einen Kurs von 085°. Während er ins Dunkel starrte, wurde die Yacht plötzlich von einem Schweinwerfer für etwa 6 – 8 Sekunden angestrahlt. Das Licht beeinträchtigte die Nachtsichtfähigkeit des Skippers erheblich, aber während er sein Schiff hart nach Steuerbord manöverierte konnte er einen Wulstbug ausmachen, der genau auf ihn zuhielt kurz bevor er sich in „Whispa’s“ Backbordseite rammte.

Beide Schiffe hatten einander wahrgenommen. Sie waren modern, gut ausgerüstet und besaßen eine kompetente Crew. Warum also passierte dies?

 

Das MAIB forschte bis ins Detail nach und fand die folgenden Fakten (Zusammenfassung):

GAS MONARCH: Die Anweisungen des Schiffskapitäns besagten, dass im Nebel die Geschwindigkeit zu reduzieren, das Nebelhorn zu betätigen und ein extra Mann auf die Brücke zu beordern sei. Er hatte seine eigenen Anweisungen missachtet. Das Radar war nicht mit ARPA (automatische Radarplotfunktion) ausgerüstet, der 3. Offizier hingegen war vorher noch nie ohne ARPA - Funktion gefahren. Er benutzte die alt hergebrachte Yacht – Radar – Methode von EBL (elektronische Peilung) und VRM (variabler Entfernungsring), um die Annäherung und den dichtesten Punkt der Annäherung zu bestimmen. Die Mikrowellensenderöhre (Magnetron) beider Radargeräte lag mit der Leistung deutlich unter 50% des Standardwertes, obwohl ein Gerät einige Wochen vorher ersetzt worden war. Die Achse eines Radarscanners war deutlich verdreht, so dass eine optimale Aussendung der Impulse nicht möglich war. Der 3. Offizier versuchte das Radarbild besser einzustellen, als der Kontakt verloren ging, aber er kannte sich nicht gut genug mit der Technik aus.

Empfangene AIS (automatisches Identifikationssystem) Signale konnten auf dem Radarschirm mitgeplottet werden und wären auch bei Verlust des Radarkontaktes weiterhin sichtbar gewesen, da „Whispa“ jedoch kein AIS besaß, konnte diese Funktion nicht weiterhelfen. Der 3. Offizier hätte den Kapitän rufen sollen, als er den Radarkontakt mit „Whispa“ verlor und die Fahrt hätte verringert werden müssen, als die Sicht schlechter wurde. Das Schiff hätte außerdem von Hand gesteuert werden müssen und nicht durch einen Autopiloten. 

WHISPA: Der Radarreflektor war unter der Saling befestigt gewesen und sorgte für ein adäquates Echo in einer Entfernung von 6 sm zum Tanker und später auf einer Distanz von 4 sm zum Rettungsboot. Der Skipper hatte keine Ausbildung für das Radar erhalten und benutzte nicht (oder wusste nicht wie er es zu benutzen hätte) die Möglichkeiten an seiner Anlage um Echos mitzuplotten. Er hatte auch nicht den elektronischen Peilstrahl (EBL) im Einsatz, obwohl er diese Funktion kannte. Er wusste nicht, wie er mit Hilfe seines Radargerätes den Punkt der dichtesten Annäherung bestimmen könnte. Er hatte keine Ahnung vom so genannten „beam-width effect“ des Radars (vertikaler Abstrahlungswinkel der „Radarkeule“) und interpretierte die Abstandsringe falsch.

Noch wichtiger war, dass die Vorausmarkierung auf seinem Bildschirm um 2° verkehrt anzeigte, was es schwierig machte, die exakte Position des Schiffes voraus zu bestimmen. Die Gebrauchsanweisung für das Radargerät war zwar an Bord, aber er hatte diese nicht gelesen. Wäre „Whispa’s“ Skipper in der Lage gewesen, den Kurs von „Gas Monarch“ exakt mitzuplotten, dann hätte er bemerken können, auch wenn sich eine Nahbereichslage entwickelte, dass sich die beiden Schiffe nicht auf einem Kollisionskurs befanden. Er versuchte weder die Geschwindigkeit der Annäherung abzuschätzen, noch den möglichen Zeitpunkt der Kollision zu bestimmen. Er war der Meinung, dass die Kursänderung um 50° in einer Entfernung von 2,5 sm vorgenommen worden war, aber er irrte sich hinsichtlich der Abstandsringe. Tatsächlich betrug die Distanz nur 1,3 sm und der Zusammenstoß war nur noch 4 Minuten entfernt.

Das MAIB führt weiter aus:

Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Yacht, wenn sie kein Radar gehabt hätte, “Gas Monarch“ überhaupt nicht wahrgenommen hätte. Die beiden Schiffe wären ohne Berührung aneinander vorbei gefahren  und es hätte keine Kollision gegeben. Die vorhandene technische Ausstattung ermutigte „Whispa’s“ Skipper zu versuchen,  mit Hilfe des Radars zu navigieren, ohne um die fehlerhafte Anzeige  der Vorausmarkierung zu wissen und ohne ausreichende Kenntnis und Verständnis in die Funktionen der Anlage, um dieses auch sicher tun zu können. 

Nach dem man an Bord von „Gas Monarch“ nach dem ersten Radarkontakt von „Whispa“  von einem Kollisionskurs ausgegangen war und man den Kurs (nach Backbord – Anm.d.Übers.) änderte, um eine mögliche Kollision zu verhindern, befanden sich die Schiffe solange nicht mehr auf einem Kollisionskurs, bis die Yacht im letzten Augenblick auf das entgegenkommende Schiff zudrehte. Das Radar von „Whispa“ mit den vorhandenen technischen Mängeln und der fehlerhaften Darstellung im Zusammenhang mit der mangelnden Erfahrung und den geringen Kenntnissen im Gebrauch der Anlage, hatte den Skipper irrtümlicherweise annehmen lassen, dass er sich auf einem Kollisionskurs befinden würde und ihn zur Kursänderung nach Steuerbord veranlasst. Dies brachte ihn offensichtlich in eine gefährliche Situation. Das Yachtradar zeigte die „Gas Monarch“ nie auf der Steuerbordseite der Vorausmarkierung aber es ist durchaus möglich, dass der Tanker sich die ganze Zeit an Steuerbord befand und niemals an der Backbordseite.

Auswertungen der Daten des Yacht – GPS und vom AIS des Tankers zeigten, dass sich beide Schiffe bis zum Eindrehen von „Whispa“ auf den Kollisionskurs, in einem Abstand von einer Drittelseemeile passiert hätten. Allerdings hätte der 3. Offizier nicht nach Backbord abdrehen dürfen, als er erstmalig die Kollisionssituation erkannte, und er hätte im Nebel mit der Geschwindigkeit heruntergehen müssen.

Um die Geschichte abzuschließen:

Nach dem Zusammenstoss rannte der 3. Offizier von „Gas Monarch“ auf die Brückennock und sah wie die Lichter der Yacht achteraus verschwanden. Er befand sich in einem Schockzustand und reagierte solange nicht, bis sich die Yacht nach etwa 8 Minuten über UKW meldete. Erst dann verständigte er den Kapitän, der das Schiff daraufhin stoppen ließ und die Crew anwies, sich für eine eventuelle Rettung bereitzuhalten (er ließ allerdings kein Rettungsboot zu Wasser). Dann verständigte dieser die Küstenwache und blieb in der Nähe der Yacht, bis das Rettungsboot der RNLI (engl. Rettungsgesellschaft) eintraf.

 

„Whispa“ wurde durch den Wulstbug im achteren Viertel der Backbordseite und am Heck getroffen, stark auf die linke Seite gekrängt und dann vom Schiffsschwell vom Bug weggedrückt. In einer Entfernung von einem Meter trieb die Yacht dann an der Bordwand des Schiffes entlang. Es gab keine weitere Berührung zwischen den Beiden. Glücklicherweise war die Yacht ausgesprochen stabil gebaut und besaß wasserdichte Schotten.

Beide Crewmitglieder der Yacht standen ebenfalls erheblich unter Schock und es dauerte etliche Minuten bis sie das Schiff auf Schäden untersuchten. Es war offensichtlich, dass das Ruder und die Steueranlage schwer beschädigt waren und dass das Wasser im abgeschotteten achteren Bereich 18 inches (…..) hoch war. Sie waren nicht übermäßig besorgt, dass das Schiff sinken könnte, da ein wasserdichtes Schott den Heckbereich abschloss. Ein Mayday – Ruf wurde auf UKW – Kanal 16 abgegeben und die Küstenwache von Yarmouth antwortete sofort. Das Rettungsboot von Lowestoft wurde alarmiert und traf nach 54 Minuten ein und stellte eine Schleppverbindung her. „Whispa“ hatte gehört, dass sich „Gas Monarch“  bei der Küstenwache zu erkennen gegeben hatte, brachte es aber nicht mit dem Kollisionsgegner in Verbindung, sondern dachte, dass es ein zufällig vorbeifahrendes Schiff sei, welches auf den Notruf reagiert hatte. Zu keinem Zeitpunkt kommunizierten die beiden Schiffe untereinander, wie es das Gesetz unter diesen Umständen fordert.

 

Die Schlepperei war schwierig, da das Ruder blockiert war und man deshalb einen Hahnepot herstellen und Treibanker achteraus schleppen musste. Nach ein paar Minuten war klar, dass die Yacht schnell Wasser machte. Ursache dafür war, dass das wasserdichte Schott einen Durchlass für ein im Durchmesser 4 inch großes Heizungsrohr hatte und dieses abgerissen war. Um diese Öffnung abzudichen und das Wasser rauszupumpen, bedurfte es eine Stunde Arbeit unter schwierigsten Bedingungen. Schließlich erreichte man um 04:00 Uhr Lowestoft Haven Marina, wo die Yacht sofort durch einen Kran aus dem Wasser gehoben wurde.

Seit diesem Unfall hat der Eigner von „Whispa“ :

 

-    ein Klasse B-AIS-Gerät installiert, um zukünftig besser wahrgenommen zu werden;

-    ein DSC–UKW–Gerät angeschafft, um über den „Distress“–Knopf sofort einen Mayday–Ruf aussenden zu können;

-     eine zusätzlich Bilgepumpe angebracht und

-     zusätzlich einen Bilge – Alarm installiert

Hoffen wir weiterhin, dass er das Handbuch seines Radargerätes gelesen und einen Radarkurs besucht hat. Es ist zwar zu spät, um das Ereignis mit „Gas Monarch“  rückgängig zu machen, aber wenn wir uns alle entsprechend umsichtig verhalten, dann könnte ein ähnlicher Unfall in Zukunft vermieden werden.

 Mit Anerkennung und Dank an das „Marine Accident Investigation Branch“ (MAIB), dessen vollständiger Bericht unter http://www.maib.gov.uk/ eingesehen werden kann.

 

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