17.6.2019, Götz-Anders Nietsch, aus SVAOe - Sicht
Man kann vom Wetter keine Perfektion erwarten
Bereits mehrere Tage vor dem Start der Zubringer-Wettfahrt Hamburg-Cuxhaven, deren Leitung wie üblich der SVAOe von der Nordseewoche-Leitung übertragen wird, war klar, dass auf der Elbe wenig Wind herrschen würde, noch dazu aus östlichen Richtungen. Klang schon mal nicht so gut. Aber die Yachten mussten auf alles vorbereitet sein, wie immer bei einem Nordsee-Ereignis. Schon für den Folgetag war Starkwind angesagt.
Der Berichterstatter, er konnte nur von zu Hause aus die Nordseewoche verfolgen, wollte wenigstens den Start der Zubringer-Wettfahrt von der Mole am Hamburger Yachthafen miterleben und hatte sich für Freitagmorgen, 7. Juni, sehr früh den Wecker gestellt, um die letzte Windvorhersage mitzubekommen. Die sah niederschmetternd aus, so dass er im Bett blieb. Tatsächlich wurde in Wedel nicht gestartet, sondern die Flotte motorte bis auf weiteres elbab. Vor Glückstadt sollte ein neuer Start versucht werden. Auch der kam nicht zustande. So trieben die Motoren die Boote nach Cuxhaven. Kein glücklicher Auftakt. Das Fest auf dem Rasen vor dem Clubhaus der SVC wird dennoch nicht in Traurigkeit abgelaufen sein.
Am Freitagabend war dann schon klar, dass es am Sonnabend mit bis zu neun Bft heftig wehen würde. Nicht alle Regattayachten sind auf so etwas vorbereitet, zumal die Windrichtung südlich sein sollte, was für das Liegen in Helgoland sehr ungünstig ist. Dennoch startete das Sundowner Race am Freitagabend von Cuxhaven nach Helgoland. Drei SVAOe-Yachten nahmen die Gelegenheit wahr, noch mit erträglichen Verhältnissen auf die Insel zu kommen und meldeten nach: „Lot“ (Hans Christian Offermann), „Ballerina 2“ (Berend Beilken) und „Kalea“ (Dirk Selter). Es wurde eine schnelle Reise. „Lot“ siegte in ORC Club. Die nachfolgenden „Hummer Regatten“ am Sonnabend wurden dann morgens auf der Steuermannsbesprechung abgesagt.
Zur Wettfahrt Cuxhaven-Helgoland am Sonnabendvormittag - Minox Cup - war der angekündigte Wind da. Es trat nur noch eine beschränkte Anzahl an Teilnehmern an, vorwiegend größere Yachten, die mit dem Seegang in der Elbmündung nicht allzu große Probleme erwarteten und die, die keine Sorgen vor den Liegeplatzverhältnissen im Helgoländer Südhafen hatten.
Zum Capitell-Cup-Rund-Helgoland-Race am Pfingstsonntag trat dann genau der Wind ein, den Wettercoach Meeno Schrader vorhergesagt hatte. Bei perfekten Segelbedingungen mit frischer Brise aus Südwest ging’s los, jedoch flaute der Wind im Verlauf immer mehr ab. Nur große und schnelle Yachten schafften den Rundkurs im Zeitlimit.
Dem Zug der vom Internationalen Olympischen Komitee gesetzten Linie (IOC Gender Equality Review Project) folgend, nach der bei den Olympischen Spielen ab 2020 vermehrt gemischte Zweihand-Regatten gesegelt werden sollen (und andere Gleichstellungen), hatte die Nordseewoche-Leitung eine Doublehand Gruppe ausgeschrieben. Im ersten Schritt war allerdings keine Geschlechtertrennung vorgeschrieben. Leider erreichten nur zwei der Teilnehmer das Ziel des Capitell Cup. Den Preis übergab noch am Abend die Präsidentin des Deutschen Segler Verbands, Mona Küppers, unter tosendem Applaus der anwesenden Segler. Künftig wird dieser Trend stärker werden.
Pünktlich um 16:30 Uhr erfolgte am Pfingstmontag der Startschuss zur diesjährigen Nordseewoche-Langstreckenregatta von Helgoland nach Edinburgh. Viel Taktik brauchten die Teilnehmer allerdings nicht anzuwenden: Bei kräftigen und leicht raumen Winden aus Nordost folgte das Feld beinahe einer direkten Kurslinie über die Nordsee und segelte bei sechs bis sieben Windstärken in Rekordzeit. Einziger Teilnehmer aus der SVAOe war Ralph Rainsboroughs „Havkarlen“ mit Steuermann Claus Torstrick.
Man kann von einer Nordseewoche nicht erwarten, dass sie immer perfekte Segelbedingungen bietet. Segeln ist ein Natursport. Wie sagte Jürgen Raddatz: „Alle, die in Cuxhaven geblieben sind, haben wenigstens ein heiles Schiff.“
(Quelle: Homepage Nordseewoche)
Es lagen der Redaktion keine Bilder vor. Das Titelbild ist von Tomas Krause von der Elbe-Auftakt-Regatta
17.6.2019, Marcus Boehlich - Aus Sicht des Organisationsleiters oder der Wurm
Der Wurm zeigte sich das erste Mal bereits Wochen vor der Nordseewoche: „Du weißt sicher, dass der Binnenhafen gesperrt ist, oder?“ fragte mich ein Freund. Wusste ich nicht und die Folgen waren mir auch nicht gleich klar. Kein Binnenhafen, keine Tankstelle, kein Benzin für Schlauchboote! Ein Telefonat mit Rickmers ergab, Diesel gibt es vom mobilen Tankwagen im Nordosthafen, Benzin in Kanistern bei Rickmers. Bei den Schlauchbootbesatzungen löste die Aussicht auf Kanisterschleppen wenig Begeisterung aus, schließlich reden wir hier von ca. 2500 Litern. Es sollte aber lösbar sein.
Das nächste Mal zeigte mir der Wurm am Sonntag frech sein Hinterteil: Der Kapitän des Fischkutters aus Hooge, unserem Begleitboot von da, meldete sich aus dem Krankenhaus für die Nordseewoche ab, keine Aussicht auf schnelle Genesung. Es musste gemeinsam mit den Hooger Freunden ein neues Begleitboot gefunden werden, zumindest ein Startboot wurde in Aussicht gestellt.
Mittwoch trafen Peilungen des geplanten Startgebietes unserer Cuxhavener Freunde ein: Wieder ist es nordöstlich von Medemreede 4 flacher geworden. Diese Linie wäre gerade mal 50m lang geworden und damit zu kurz. Es folgen Verhandlungen mit dem WSA Cuxhaven über die Verlegung der Startlinie auf die Reede. Antwort: könnt ihr machen, aber wenn da einer liegt, ist das euer Problem. Immerhin, der Wurm blieb in seinem Loch und sowohl Freitagabend als auch Sonnabendmorgen lag da kein Schiff.
Aber der Wurm hatte noch mehr in petto: Mittwochabend die Nachricht, der Kat fährt nicht. Die Aufbaucrew sollte damit nach Helgoland fahren. Also umgebucht auf Deutsche Bahn (Sie ahnen es schon!) und Cassen-Eils ab Cuxhaven. Um es kurz zu machen: Die S-Bahn hat es nicht bis Harburg geschafft, der Zug nach Cuxhaven wurde verpasst! Der Wurm lag hämisch lächelnd auf der Weiche! Also ab ins Taxi nach Cuxhaven, 20 Minuten zu spät angekommen, Fähre verpasst! Weiter ging es nur mit dem Flugzeug. Als ich auf die Kontoauszüge der Nordseewoche schaute, hatte der Wurm schon ein paar Löcher ins Papier gefressen!
Zu allem Überfluss hatte sich der Wurm auch noch mit dem Wettergott verbündet, zeigte sich am Freitagmorgen vor Wedel in der Elbe schwimmend, jeden noch so kleinen Windhauch einsaugend. Keine Wettfahrt von Wedel nach Cuxhaven!
Und weil der Wurm noch kräftig war, fuhr der Kat auch am Freitag und Sonnabend nicht, so dass ich mit meinem Team im Auto nach Cuxhaven fahren musste. Die Cuxhavener Straße bildet die längsten 100 Km Deutschlands. Blankenese - Cuxhaven fast 3 Stunden!
Am Freitagnachmittag brach dann wegen der Wettervorhersage (Das Tief hatte die Form eines eingerollten Wurmes!) in den Starthäfen Unruhe aus. Zuerst wurde die Regatta von Hooge, dann die von Bremerhaven und zuletzt von Wilhelmshaven abgesagt. Wer konnte, fuhr noch schnell am Freitag nach Helgoland. Immerhin verschonte der Wurm die Abendregatta nach Helgoland, so dass immerhin 38 Boote starteten. Die Windrichtung war aber mit südlichen Winden kommod, so dass alle eine schnelle Reise hatten und bei schon sehr frischem Wind auf Helgoland ankamen.
Zuvor hatte aber der Wurm wieder zugeschlagen, und sich in ein Gespräch eines Teammitgliedes und einem offenbar ahnungslosen Mitarbeiter des Helgoländer Benzinverkäufers eingemischt. Erkenntnis: Es gibt noch 200 Liter Benzin auf Helgoland. Viel zu wenig für unsere Schlauchboote, damit kommt keiner zurück. Immerhin haben sie es gewagt, haben den großen Benzinschlucker in Cuxhaven gelassen und sind abends mit einem Dieselschlauchboot und dem kleinsten Benziner nach Helgoland gefahren. Am nächsten Tag wurde klar: Über die für uns reservierten 2500 Liter gab es noch weitere 200 Liter!
Sonnabendmorgen vor Cuxhaven, glattes Wasser 4-5 Bft., also segelbar aber mit sicherer Aussicht auf bis zu 40 Knoten Wind bei Helgoland. 16 Yachten gingen an den Start des Minox-Cups und kamen unter sicherer Begleitung der Dänischen Heimwehr und dem Zollkreuzer „Borkum“ schnell auf Helgoland an, wo ein schadenfreies Anlegen nicht ganz einfach war. Sogar nicht mit der „Borkum“! Die Hummer Regatten vor Helgoland konnten am Sonnabend nicht gestartet werden. Einen Eindruck von den Bedingungen auf Helgoland bekommt man unter www.nordeewoche.org und auf www.youtube.com wenn man dort Nordseewoche 2019 sucht.
Am Sonntag verkündete Meeno Schrader auf der Steuermannsbesprechung beste Segelbedingungen mit Sonnenschein und ab 16 Uhr weniger werdendem Wind. So ging es denn auch toll los, aber der Wurm hatte sich östlich der Düne auf die Lauer gelegt. Der Wind schlief schon um 13 Uhr ein, so dass viele Teilnehmer nicht ins Ziel kamen. Der Wurm hatte auch eine Bahnverkürzung unmöglich gemacht, da die jeweils schnellsten der Gruppen bereits im Ziel waren.
Am Montag sah es so aus, als hätte der Wurm genug, denn die Helgoländer Acht, die Rückregatta nach Cuxhaven und der Start nach Edinburgh verliefen bei besten Bedingungen. Es sah aber nur so aus! Am Dienstag muss die Insel wieder aufgeräumt werden und so sah man die Teammitglieder der Nordseewoche bei strömendem Regen bis auf die Haut durchnässt, Sachen in die Container schleppen. Kaum fertig kam die Sonne raus!
Am Donnerstag schlug der Wurm ein letztes Mal zu: Einer der Tracker der Edinburgh Fahrer sendete einen Alarm, jemand hatte die rote Taste gedrückt und war in Not! Die Meldung sagte jedoch nicht den Bootsnamen sondern nur die Nummer des Trackers. Die Excel Tabelle mit der Zuordnung zum Boot war auf meinem Notebook. Etwas aufgeregt machte ich den Rechner an: Bitte schalten Sie den Rechner nicht aus, Windows macht einige Updates. Nach gefühlten Stunden endlich die Tabelle: Der Alarm sendende Tracker gehörte zu einem bereits im Hafen befindlichen Boot und befand sich bereits im Regattabüro in Granton. Spätere Untersuchungen haben ergeben, dass Wasser eingedrungen war und den Kontakt hergestellt hatte. In dem Wasser wurden Hinterlassenschaften eines Wurms entdeckt!
Dann lag er auf einmal vor mir: Der Wurm! In ganzer Länge grinste er mich höhnisch an, bereit wieder in einem seiner vielen Löcher zu verschwinden. Aber diesmal war ich schneller. Ich habe ihn erwürgt, gevierteilt, gerädert, im Ofen verbrannt und habe seine Asche in den Tiefen eines Helgoländer Bunkers verstreut. Er sollte also besiegt sein. Aber man weiß ja nie, jedenfalls soll der Binnenhafen auch nächstes Jahr noch gesperrt sein. Kein Benzin ….
Ich danke dem ganzen Team der Nordseewoche, den Unterstützern und den Teilnehmern unter diesen Bedingungen überhaupt eine Nordseewoche zustande gebracht zu haben. Immerhin waren von 125 gemeldeten Yachten 99 auf Helgoland.