Am 20 November war Start zur diesjährigen ARC (Atlantik Rally für Cruiser). Es wird in Las Palmas, Gran Canaria gestartet, und Zielhafen ist Rodney Bay in St. Lucia. Dieses Jahr haben ungefähr 220 Boote teilgenommen, dabei die allermeisten, wie wir auch, in der Cruising Division. An Bord hatten Sheila und ich meinen alten Schulfreund Dr. Peter Worning und zwei Kommilitonen von meiner TU in Kopenhagen, Jens Andersen und Eskil Bruun. Letztes Crewmitglied war Mads Christensen, Segelmacher bei North Sails in Kopenhagen. Mit einem Durschnittsalter weit über 50 nicht wirklich ein Regatta „Dream Team“, aber alles gute Freunde, was bei einer so langen Reise eigentlich viel wichtiger ist. Für Peter, Sheila und mich war die Teilnahme etwas ganz besonderes. Vor genau 25 Jahren hatten wir die zweite Ausgabe der ARC mitgesegelt und sowohl „Line Honors“ (Erster der Gruppe im Ziel nach gesegelter Zeit) als auch berechnet unsere Gruppe gewonnen. Über alles wurden wir damals 13te. Da wir die einzigen waren, die ein solches Jubiläum feiern konnten, wurden wir auch prompt bei einer der vielen Feiern in Las Palmas mit einer (hübsch-hässlichen?) Trophäe „belohnt“.
Sheila und ich hatten die 2 Wochen vor dem Start mit Vorbereitungen für die Überfahrt verbracht. Das bedeutet hauptsächlich Verproviantieren. Um das Leben zu vereinfachen, hatten wir ein Auto gemietet und täglich Besorgungen gemacht und verstaut. Vielleicht ein Fehler. Ohne Mobilität hätten wir wahrscheinlich nur eine Liste aufgestellt und alles auf einmal bei einem der lokalen Schiffsausrüster bestellt. So haben wir uns täglich aufs Neue in den verschiedenen Supermärkten verleiten lassen und am Ende viel mehr proviantiert als wir brauchten. Es müsste jetzt fast genug an Bord sein, um ganz nach Australien zu kommen, ohne neu einkaufen gehen zu müssen.
Endlich war es soweit. Mit einem Nullstart unter unserem „Hibiskus-Spinnaker“ haben wir bald den größten Teil der Flotte hinter uns gelassen. Es wurde richtig spannend, als wir in die sogenannte „accelleration-zone“ bei Gran Canaria hineinkamen. Um solche hohen Inseln wie die Kanarischen Inseln, gibt es Zonen mit starkem Wind, in unseren Fall bis zu 34 Knoten (Windstärke 8). Dies brachte uns den Geschwindigkeitsrekord der ganzen Reise von 18.3 Knoten ein!
In der Nacht dann die ersten Probleme (und in ihrer Art eigentlich die einzigen Probleme, die wir hatten.): unsere Spinnaker. Neben den Accelerations-zones gibt es als Gegenstück Gebiete mit Windschatten, wo sehr variable Winde, aber mit den gleichen Wellen wie in den Accelleration-zones vorherrschen. Beim Bergen des Spinnakers wurde dieser beschädigt und musste am nächsten Tag repariert werden, um sich dann beim Setzen am Anker zu verheddern. Somit hatten wir nur noch 4 Spinnaker übrig. Lasst mich gleich den Rest dieser traurigen Geschichte beichten: Der „Pink-Wonder Spinnaker“ hielt 24 Stunden, bevor eine Unaufmerksamkeit des Steuermannes (vorläufig) dessen Karriere in der ARC unterbrach. „True Blue“ hielt 3 Tage, „True indomitable Viking“ 5 Tage und der Gennaker 2 Tage, bevor auch dieser sich unter Deck in die Warteschlange der zu reparierenden Spinnaker begab. Als das letzte bunte Segel sich verabschiedete, habe ich sofort die ganze Crew zu einer Toga Party eingeladen. Alle mussten sich genauso in weiß kleiden wie die GUNVØR, die während der Party mit weißem Groß, weißer ausgebäumter Genua und fliegend gesetztem Stagsegel durch die Nacht eilte. Als ich bei der täglich Radiorunde (Kurzwelle) des ARC beichtete, dass wir 5 Spinnaker verloren hatten, führt dies zur mehrmaligen Bitte, die Anzahl nochmals zu bestätigen. Aber aufgegeben haben wir nicht. In einer 7 stündigen Operation (unser Segelmacher mit unserem Arzt als Lehrling) wurde der „Pink Wonder“, ein Leichtwind-Spinnaker, für die erwarteten leichten Winde zur Ende der Regatta zusammengeflickt. Während dieser Zeit haben wir mit ausgebäumtem Code 1 und Genua, immerhin mit ungefähr 280 m² Segelfläche (mit Spinnaker haben wir ca. 360m²) weiter wettbewerbsfähig gesegelt.
Und es hat sich gelohnt. Nach nur 14 Tagen, 12 Stunden, 43 Minuten und 29 Sekunden passierten wir die Ziellinie. Die ca. 3000 sm haben wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 8.6 Knoten zurückgelegt. Wir waren permanent in einem Spitzenfeld von etwa 20 Booten, von denen nur zwei bis drei kleiner waren und/ oder einen niedrigeren Rennwert hatten als wir. Im Vergleich zu unserer Gruppe (Klasse A, Boote zwischen 55 bis 60 Fuß), zogen wir jeden Tag 20 – 30 Seemeilen davon. Zum Schluss haben wir dann unsere Gruppe nach berechneter Zeit mit fast 24 Stunden zum Zweiten und mit 3,5 Tagen (!) zum Dritten gewonnen. Über Alles haben wir den zweiten Platz in der Cruising Division (mit ca.140 Booten die größte Gruppe) belegt. Der Gewinner ist mit 27,5 Stunden Motor gefahren (oder mehr?) gegenüber unseren 6 Minuten, die wir vor der Ziellinie in absoluter Flaute uns aus taktischen Gründen gegönnt haben. (Die 6 Minuten haben uns nur 9 Minuten in berechneter Zeit gekostet). Auf dieses Ergebnis sind wir extrem stolz. Es war eindeutig die 5 Spinnaker wert, obwohl diese in St. Lucia 4 Tage den lokalen Segelmacher blockiert haben und alle anderen Skipper, die ihre Segel repariert haben wollten, (aber erst nach uns ankamen ) frustriert haben warten lassen.
Das Leben an Bord, obwohl eindeutig vom Regattasegeln dominiert (wir haben fast durchgängig von Hand gesteuert) war toll. Die ersten paar Tage waren, wie fast immer zu Begin einer Ozeanüberquerung, etwas ungemütlich. Typisch gibt es in Landnähe sich überlagernde Schwell-Systeme, die, gepaart mit gestörtem Schlaf und noch nicht voll etablierten Seebeinen, zu einem gewissen allgemeinen Unwohlsein führen. Sheila hatte großartig (wie oben beschrieben, aber vielleicht etwas überenthusiastisch) proviantiert, sodass wir alle, statt abzunehmen, ein paar Kilo zugenommen haben. Alle zwei Tage gab es frisch gebackenes Brot und jeden Abend ein mehrgängiges Menü. Besonders die Mengen mussten wir aber anpassen. Wir sind gewohnt, für eine Gruppe von jungen Leuten zu proviantieren; unsere etwas ältere (aber jung gebliebene) Crew war deutlich genügsamer. Auch der Alkoholkonsum war sehr begrenzt, eigentlich fast nicht vorhanden. Nur unsere Partys haben die Crewmitglieder zu einem oder zwei Gläsern Wein oder Bier verleitet. Erleichtert wurde das Leben sehr durch unseren Generator. Damit konnten wir genug Wasser zum täglichen Duschen für alle machen. (Wir müssen auch gestehen, dass wir die Klimaanlage täglich viele Stunden haben laufen lassen, um in gekühlten Kabinen besser schlafen zu können.)
Ja die Partys: Sie begannen nach 7 Tagen mit unserem Bergfest. Sheila und ich kamen als Wikinger und servierten einen „½ Way Cake“. Am nächsten Morgen gab es dann Geschenke für alle zum Ersten Advent. Das Highlight war die Flasche Atlantikwasser & Luft von Mads: Zum Öffnen bei schlechter Laune! Bei ¾ Strecke nach 10 Tagen haben wir dann Oktoberfest gefeiert. (Findet ja auch im September, d.h. ¾ des Jahres statt) Der Salon war mit blauen Signalflaggen geschmückt. Würstchen und Bier plus Wiesenmusik hat unsere dänische Crew dann doch etwas überfordert. (Oder vielleicht war es, als Sheila mit weiß-blonder Perücke mit Zöpfen und „etwas“ vergrößertem Busen das Essen servierte, um dann mit mir das Fliegerlied aus voller Brust zum Besten zu geben.) Die Toga Party habe ich bereits beschrieben, aber am letzten Tag vor dem Ziel wurde dann der Zweite Advent mit Glögg und Mandelkuchen begangen. (Einer der 6 Kuchen hatte eine ganze Mandel und der glückliche Empfänger bekam dann zusätzlich einen Schluck vom Glögg.)
Wie gesagt haben wir die Ziellinie in totaler Flaute unter Motor mit 9 Knoten und back-stehenden Segeln um 21:43:29 lokaler Zeit passiert. In der Marina standen ein Empfangskomitee des ARC, des lokalen Tourismusbüros und mein Freund Glenn mit Rumpunsch und Bier bereit. Es wurde dann erstmal ausgiebig gefeiert. Allen hatte die Zeit an Bord so gut gefallen, dass wir erst nach 12 Stunden erstmals von Bord gegangen sind. Die schöne Reise durfte irgendwie nicht vorbei sein.
Silvester feiern wir mit Henriks Familie auf Bequia, bevor es dann am 8. Januar mit der WARC (World ARC) als Regatta weiter nach Panama und ab in die Südsee geht. Birgitte bleibt an Bord bis Bora Bora. Ian muß die letzten 6 Monate seines Studiums erstmal beenden, bevor er in Bora Bora im Mai an Bord kommt.
Alle Bilder: Witt family
Nachsatz der Redaktion: Die SVAOe hatte noch ein zweites Team beim ARC 2011 "ins Rennen geschickt": die NOW mit Bärbel Evers und Holly Six. Sie haben noch keinen Bericht geschickt, aber wir wissen, dass sie ebenfalls gut gesegelt sind: 4. in Klasse G.
Beiden Mannschaften gratulieren wir sehr herzlich zu ihren Leistungen.