12 Tage "Cool Runnings" oder waren es 11........
Wenn sich einmal im Jahr der gemeine Hamburger Regattasegler an einem Donnerstag Abend zu Speis und Trank im Wedeler Yachthafen versammelt, kann das nur eines bedeuten: Morgen geht die Nordseewoche los! So geschah es auch in diesem Jahr mit einem üppigen Buffet und freien Getränken vor der Tonne 122. Gesponsert wurde das Ganze von der Hamburger Sparkasse.
Die "Cool Runnings" ging am nächsten Morgen unter der Führung von Jan Brügge mit seiner Crew Till Pomarius, Max Bischof, Jörg Posny, Caren Ramien und mir, trotz des Festes fit und voller Vorfreude an den Start. Die Euphorie war von kurzer Dauer, weil die Kombination aus schwachem Wind und auflaufendem Wasser uns arge Probleme bereitete und wir es erst fünf Minuten zu spät über die Startlinie schafften. Es folgte eine endlose Kreuz mit Wind zwischen 5 und 15 Knoten. Kurz vor Cuxhaven konnten wir den Kurs dann endlich anliegen und sogar etwas schricken. Nach acht Stunden und zwanzig Minuten erreichten wir den 5. Platz in unserer Gruppe.
Für den Freitag war dann Wind aus Ost-Nord-Ost vorhergesagt und beim gemeinsamen Frühstück auf dem Mutterschiff "Philomena" meinte jemand zu uns gewandt, sie hätte sich den Wind für uns etwas spitzer gewünscht damit die "Cool Runnnings" mit dem Code Zero ihre volle Stärke zeigen könnte. Ihr Wunsch wurde zwar erhört jedoch nicht ganz richtig interpretiert und so kreuzten wir den ganzen Weg nach Helgoland gegen Wind und Welle, was für uns der denkbar schlechteste Kurs ist. So waren wir Abends dennoch zufrieden mit einem Platz grade in der ersten Hälfte.
Am Sonntag segelten wir bei schönstem Segelwetter die Rund Helgoland Regatta, die als Up&Down nordöstlich der Düne ausgetragen wurde. Der Kurs beinhaltete so viele Bahnmarken, dass einige Schiffe, das Ziel zwischen Insel und Düne vor Augen, die letzte Tonne an der falschen Seite ließen und "Did not finish" gewertet werden mussten. Uns gelang es, die Übersicht zu behalten und wir schlossen ab mit einer Platzierung knapp hinter dem ersten Drittel. In einer kurzen Nachbesprechung wurde sich gegenseitig auf die Schulter geklopft und besprochen, wie einige Manöverabläufe noch optimiert werden könnten.
Die Regatta, die namentlich als Helgoländer Acht bekannt ist, jetzt Inducon-Cup, fand am Montag bei West 4 und grauer Wolkendecke als Rundkurs um Helgoland statt. Wir schauten uns den Kurs an und spekulierten heiß, welche Segel auf welchen Strecken wohl zu setzen wären, nicht wissend, dass uns diese Frage noch bis zum Ziel beschäftigen würde. Der Start nach Norden raus unter Genua war optimal. Wir querten höchstens eine Handvoll Sekunden nach dem Signal die Linie und hatten eine gute Position in Luv vom Feld. Schnell war der große Gennaker gesetzt und wir machten gute Fahrt. Nach der ersten Tonne ging es auf eine kurze Kreuz, auf der uns das Stimmungsbarometer nur eine ernüchternde Geschwindigkeit anzeigte.
Nach einer einzigen Wende waren wir schon auf der Lay-Line und von nun an entschied sich Jan alle zwei Minuten um, ob man auf dem nächsten Kurs nach Süden nun Code Zero setzen könnte oder bei der Genua bleiben müsste. Als dann erst ein paar Bootslängen vor der Tonne entschieden wurde: "No risk no fun!", kam das Vorschiff mächtig ins Schwitzen. Die Mühe hatte sich gelohnt. Wir flogen unter Code Zero und vollem Groß mit konstanten 9-10 Knoten in Lee unter deutlich größeren Schiffen durch und konnten nur noch grinsen, wenn die, die uns auf der Kreuz überholt hatten, kaum noch im Kielwasser zu erkennen waren.
Eine weitere Bahnmarke und ein kurzes Stück unter großem Gennacker später waren wir im Ziel. Nachmittags hing es dann schwarz auf weiß am Brett: Gewonnen!!! Erster!!!
Endlich die Bestätigung, dass, wenn der Kurs stimmt, die Vermessung rausgesegelt werden kann! Die Freude war riesig, machte das Ergebnis doch auch richtig Lust auf das Kieler Woche Welcome Race.
Am selben Tag musste die Hälfte der Crew mit dem Halunder-Jet nach Hause, der Rest überführte die Cool Runnings zusammen mit der "Philomena" in den nächsten Tagen nach Kiel, wo wir einen Tag vor der ersten Wettfahrt bei besten Bedingungen schon einen Trainingsschlag um Kiel-Leuchtturm machten.
Die Kieler Woche Auftakt- und auch ehemalige Aalregatta startete direkt vor der Kiellinie bei Düsternbrook vor einer für noch nicht ganz zehn Uhr morgens ansehnlichen Zuschauerschar, die sich das Spektakel von über 80 Dickschiffen unterschiedlichster Art auf engem Raum nicht entgehen ließen. Besonders die "Carbon³", ein Kohlefasertrimaran, gesegelt von Jesper Banks, sorgte für reichlich Aufsehen, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit auf die Mole zu raste und erst kurz davor mit einer Halse abdrehte.
Der Kurs halbwinds aus der Förde heraus sollte zur Zerreißprobe werden. Wir konnten zwar Gennaker setzen, waren jedoch zu vorsichtig und wählten den mittelgroßen, da wir hinter jeder Ecke mehr Wind erwarteten und einen weiteren Segelwechsel scheuten. Hinzu kam, dass wir entweder mit Abdeckung oder mit der Wassertiefe zu kämpfen hatten. Ein Boot musste wegen Auflaufens schon wenige Minuten nach dem Start aufgeben und auch wir waren der Meinung, einmal kurz etwas im Schlick gebremst zu haben. Als wir die Landabdeckung endlich hinter uns gelassen hatten, gab es wieder ein Schokoladenstück für uns, auf dem wir bei gutem Druck im Gennaker und stetig über zehn Knoten Fahrt die Konkurrenz stehen ließen. Leider war der größte Teil des Kurses wieder eine Kreuz. Auch taktisch gab es Verbesserungspotenzial, gelang es doch nicht, uns vor Eintreffen der zwei großen Schauerböen, uns richtig zum Feld zu positionieren. Die erste und weitaus kräftigere erwischte uns voll und legte uns flach aufs Wasser, so dass wir die Genua mit dem Mast nahe der Horizontalen einholen mussten, während wir ca. einen halben Knoten voraus und ca. drei Knoten Fahrt nach Lee machten. Das bereits im Voraus einfach gereffte Groß wurde von da an bis zum Ziel durch das kleinere Solent Vorsegel ergänzt.
Der letzte Wettfahrttag begann erst um halb eins mit großem Gennaker und einem heißen Ritt aus der Eckernförder Bucht heraus. Mit Böen bis Stärke sechs, die im zehn Minuten Takt achterlich einfielen und uns auf 13-14 Knoten beschleunigten, jagten wir Boote, die teilweise doppelt so groß und über eine Viertelstunde früher gestartet waren. Einen vor Ekstase jauchzender Skipper am Ruder und ein Gefühl wie auf einer Gleitjolle erlebt man nicht alle Tage bei den Dickschiffen. Spannend war dann auch die Zielkreuz. Wir waren zwar erstes Schiff unser Gruppe, hatten aber noch keinen blassen Schimmer, was die Berechnung daraus machen würde. Das wurde auch nebensächlich, als jemand um Viertel nach fünf beiläufig etwas von Time Limit 18 Uhr murmelte. Der Wind hatte inzwischen stark bis auf zwei bis drei Beaufort abgenommen, wir machten gute fünf Knoten durchs Wasser und hatten noch vier Meilen zu segeln bis zum Ziel bei Kiel Leuchtturm. Wir drehten das UKW laut und hörten wie sich erst einzelne Schiffe und dann später ganze Startgruppen, die noch hinter uns waren, bei der Wettfahrtleitung abmeldeten weil sie es nicht mehr rechtzeitig schaffen würden. Neptun war uns wohl gesonnen, der Wind drehte, bis wir den Turm anliegen konnten und wir schafften es fünf vor sechs über die Linie. Die Wettfahrtleitung hatte sich offensichtlich verkalkuliert. Eine 36 Seemeilen lange Strecke, die mehrere Kreuzstrecken beinhaltet, ist von den kleineren Booten, die erst um 12.40 Uhr starteten, nicht in fünf Stunden und 20 Minuten zu bewältigen. Es wurden dann auch alle Boote, die noch nach 18.00 Uhr durchs Ziel kamen, gewertet, ärgerlich für die, die aufgegeben hatten und schon gen Hafen motorten.
Für uns gingen 12 tolle Segeltage zu Ende. Jan und Max überführten die Cool Runnings nach Kappeln und der Rest der Crew stieg nach dem Ziel auf die "Philomena" über. Im Kieler Hafen Steckenhörn wurde "Philomena" wieder fahrtentauglich gemacht. Als der VW-Bus dann komplett voll war mit Regattasegeln und Gepäck stieg nur noch die 9-köpfige Crew ein. Leicht überladen ging es Richtung Hamburg und als immer mehr der Passagiere hinten einschliefen, verstummten auch die Schreie derer, die das Pech hatten, weiter unten gestapelt zu sein.
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von Bele Schütt
We will have the weather at 12:30 from the German…uuhm... dem deutschen Wetterdienst!
Aufstehen um 06:45h oder vielmehr sich nochmals auf die andere Seite drehen und darüber freuen, dass Jan die Brötchen holt? Aber es ist nicht ewig möglich, das Aufstehen vor sich her zu schieben, also rollt man sich brav um sieben aus der Koje und schmeißt sich alles an Klamotten über, was man hat.
Ja, was hat man denn da eigentlich? Hose, ja, die liegt noch irgendwo auf den Segeln neben der Koje. T-Shirt, auch da, hab ich ja drin geschlafen. Socken, nee, nass. Schuhe, auch zu finden. Die wahre Wohltat ist es allerdings, ins warme Ölzeug zu steigen, denn, auch wenn es nötig ist, ein offenes Fenster bei Nacht führt schon auch dazu, dass es verdammt kalt ist. Man mag sich fragen, warum nur so wenig Klamotten an Bord sind. Tja… wo fang ich an? Man muss sich, das habe ich innerhalb der letzten Wochen gelernt, wenn man mit Jan segelt, auf das Nötigste beschränken. Und damit meine ich das NÖTIGSTE, denn mal ehrlich, wer braucht auf einer Regatta schon einen Schlafsack? ICH! Nein …jeder Prostest sinnlos, es ist beschlossene Sache, keine Schlafsäcke. Taschen mit Klamotten werden geteilt, oder kommen erst gar nicht an Bord und Wasser wird streng rationiert gefahren. Auch die zaghafte Frage, ob denn die Waschtasche bleiben dürfte, kam ein "nein". Keine Chance, alles muss runter. Was also am Vorabend noch nicht im Bus gelandet ist, wird nun nach dem Frühstück in den Bus gebracht. Langsam muss man sich eingestehen, dass wir mit weniger Gepäck angereist sind, als jetzt im Bus liegt. Selbst Segel, die für unnötig befunden wurden, sind von Bord gekommen.
Man kann sich das Szenario wie folgt vorstellen: Man erwartet ein ausgeglichenes hin und her an Sachen, die aus dem Bus an Bord und umgekehrt getragen werden. In Wahrheit bekommt man allerdings nur ein One-Way-Ticket von Bord für alles, was nicht absolut essentiell ist (nein, ein Kopfkissen ist NICHT wichtig genug, um mit zu dürfen).
Also sehen wir den Tatsachen ins Auge, „Cool Runnings“ ist ein kleines Boot, schnell nass, langsam wieder trocken und bis unter die Decke leer geräumt. Und jetzt mal die andere Seite: mit Jan an Bord, hat „Cool Runnings“ es geschafft, einen Ersten auf der Nordsee-Woche zu fahren, auf der Rückregatta des Welcome Race der Kieler Woche gab es einen gesegelten Ersten (na gut, berechnet sechster, aber was soll's, wir waren als Erste im Ziel!) und unter Solent und doppelt gerefftem Groß haben wir es auch schon auf 14 Knoten gebracht. Man kann es nicht leugnen, auf diesem Boot zu segeln macht Spaß und es ist jedes Mal eine neue Herausforderung. Und wenn man nicht grad im strömenden Regen auf der Kante sitzt und das Wasser langsam durch die undichten Stiefel sackt, ist die sich dann oft selbst gestellte Frage "Warum mach ich das hier eigentlich?" schnell beantwortet: Es ist jedes Mal anders, nie langweilig und auf jeden Fall lustig, denn das Gefühl, wenn man wie gefesselt auf die Speedo-Anzeige starrt und dann Wind und Welle perfekt zusammenarbeiten, ist einmalig und dann hat man die Antwort auch irgendwo im Kopf.
Und dafür lohnt es sich auch, den Schlafsack im Bus zu lassen oder keinen Kaffee auf der Kante zu trinken.