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Götz-Anders Nietsch, 7.10.2011

Absegeln ist immer anders. Weniger im Ablauf; der scheint inzwischen festgefügt, und keiner will ihn ändern. 

Wohl aber, was die Variable „Wetter“ anbetrifft. Anfang Oktober ist man auf Ungemütliches gefasst. So war es Jahr für Jahr mit unterschiedlichen Ausprägungen. Dieses Jahr nun zog der Wettergott eine schon vergessen geglaubte Überraschung aus dem Sack: Es wurde Sommer.

Wer hätte das gedacht. Im Frühjahr war es mal eine gewisse Zeit sehr schön gewesen, so dass man fürchten musste, dass sich der Sommer zu früh verausgaben würde. So kam es dann auch. Eine schlechtere Segelsaison hatten wir seit Menschengedenken nicht. Das hielt bis Ende September. Aber dann – das Absegeln war auf den 1.Oktober angesetzt – wurde ausgeschüttet, was den Sommer über im Sack ganz unten verblieben war: blauer Himmel, Sonne, Wärme, Mücken. Wovon schon immer reichlich verschwendet worden war, nämlich Wind, war dafür nicht mehr vorhanden.

Am Sonnabend Vormittag motorte also eine stattliche SVAOe-Flotte die Elbe herunter, wobei die Pullover im Schapp blieben. Im traditionellen Zielhafen Glückstadt wurde es rappelvoll, aber es machte nichts, denn die Päckchen lagen ruhig. Am Nachmittag gab es gegenseitige Besuche an Bord mit Einladungen zu Kaffee, Kuchen und anderem. Sonnensegel waren zu sehen. Ein friedliches Treiben.

Dann machten sich die meisten auf, um rund um den Marktplatz eine der zahlreichen Stätten aufzusuchen, die ihre Heringsgerichte anbieten. Man kann annehmen, dass die Glückstädter Gastronomie einen guten Tag hatte. Und wie auf ein geheimes Signal – in Wirklichkeit war es natürlich vom Festausschuss vorbereitet - strömten ab 20 Uhr die SVAOe-er von allen Seiten in die „Alte Oper“, um dort Bowlingbahn und Tresen zu belegen. An Ersterer war deutlich mehr los. Kinder, Jugendliche und auch ein paar Grauköpfe warfen mit schweren Kugeln Figuren um, die dann von einer Automatik unermüdlich wieder aufgestellt wurden. Wie sinnlos. Muss aber wohl immer neue Freude machen, denn die Stimmung war nichtnachlassend hervorragend.

Am Tresen dagegen wurden vom ernsthafteren Teil der Versammlung tiefgehende Gespräche geführt, die um die Kunst des Segelns gingen, also um Höheres. Historisch Interessierte konnten nachlesen, dass neueren Forschungen zufolge die „Alte Oper“ nie ein Musiktheater war, sondern eine zutiefst banale, völlig unkünstlerische, wechselhafte Geschichte hatte und in der heutigen Form als Kneipe wohl ihre höchste Entwicklungsstufe erreicht hat. Wie dem auch sei, es ist gemütlich dort und regt zur Unterhaltung und zum Trinken an. Beidem wurde reichlich entsprochen. Der Vorsitzende und seine Frau kamen über Land angefahren, um nach dem Rechten zu sehen und fanden alles in bester Ordnung.

Schließlich, als es hinten noch polterte, gingen die ersten auf ihre Schiffe, um die unverhofft laue Nacht von ihren Cockpits aus zu genießen. Man darf wohl annehmen, dass allen gefallen hat, was sie taten.

Der Sonntagmorgen war so schön wie der Tag zuvor mit genau so viel Sonne und genau so wenig Wind. Vormittags sah man Grüppchen in leichter Kleidung durch die Gassen schlendern, in Cafés sitzen und über den Deich spazieren. Aber dann kam bei Niedrigwasser Eile auf. Alle wollten möglichst schnell Richtung Heimat. Wieder blieben die Segel ungesetzt. Wer jedoch zu früh war, riskierte eine Sitzung im Kartoffelloch. An die Mindertiefen hier wird man sich gewöhnen müssen, denn es hat den Anschein, dass die Bagger das, was sie aus dem Hauptfahrwasser herausholen, in den Nebenfahrwassern wieder abladen.

Beteiligt an dem sommerlichen Absegeln waren die Jugendboote Neumühlen, Teufelsbrück und Scharhörn, die „Klassiker“ Bonito (Glimm), Fierboos (Körner), Luise (Lunau), Niobe (Riecken) und Svea (Treu), die Folkeboote Havmus (Keßling), Juno (Zwirner) und Lord Jim (Lyssewski) sowie der „gemischte Rest“ Benedictus (Torstrick), Bottle Imp (Möller), Gaudia (Reich), Nanook (Benz), Otium (Nietsch), Philou (Dahm), Philomena (Schütt), Ran (Wegener), RatzFatz (Becker), Sirkka (Dartsch), Tamam (Zösch), Tentakel (Müller), Turbemus (Raddatz).

Soll man noch mehr sagen? Allen Beteiligten hat’s gefallen. Das Wetter war unverhofft gut, was es im nächsten Jahr leichter machen wird, von den Wechselfällen der Natur zu sprechen.

Foto: Stephan Lunau

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