15.6.2015, Götz-Anders Nietsch
Über die Otterndorf-Veranstaltung gibt es eigentlich nicht mehr so viel Neues zu berichten. Jeder, der einmal teilgenommen hat, weiß den Ablauf zu schätzen: die Hin-Wettfahrt, die Ruhe im idyllischen Marschhafen Otterndorf, das gemütliche Beisammensein mit Grillen und gesprächsfördernden Getränken und am nächsten Mittag die Rück-Wettfahrt nach Wedel. Das scheint so beschaulich und fast ein wenig langweilig. Der Reiz an der Sache sind das Wetter, die Teilnehmer und natürlich die Boote. Fast hätte ich’s vergessen, da für Elbsegler so selbstverständlich: die Tide. Arbeiten wir diese Punkte einmal ab, wird deutlich, warum bei „Otterndorf“ immer wieder etwas Besonderes aus diesen Zutaten wird. Nach einem Frühjahr, das bis nach Pfingsten nur Kälte und andere Ungemütlichkeiten im Gepäck hatte, deutete sich für das Wochenende vom 5. bis 7. Juni ein Hochdruckgebiet mit einem erstmaligen Schwall warmer Luft an. Meist ist damit auch Flaute und Gewitter verbunden. Mit beidem wurden wir gesegnet. Aber der Reihe nach.
Ein Wochenende mit günstiger Tide kann man dank der Berechenbarkeit der Gestirnsbewegungen schon lange im Voraus bestimmen. Es darf allerdings nicht mit den Hamburger Schulferien oder bestimmten Feiertagen oder traditionellen Elbe-Regatten oder gar mit scheußlichem Wetter kollidieren. Da wird die Auswahl schon schwieriger. Der Obmann hatte sich bereits im letzten Herbst festgelegt, jedoch lagen da noch nicht alle Regattatermine fest. Dass es eine Neuorganisation des „Blauen Bandes“ geben würde, war erst recht nicht bekannt. Und plötzlich hieß es: „Am 5. bis 7. Juni findet das „neue Blaue Band der Unterelbe“ statt. Am Freitagabend, 5. Juni, treffen ca. 30-40 Regattayachten in Glückstadt ein.“ Dort wollte sich eigentlich das kleine Völkchen der Otterndorf-Fans sammeln. Wer den Glückstädter Hafen kennt, weiß, wie wenig Platz dort ist. Nach dem Motto „Der Schwächere gibt nach“ (eigentlich heißt die Sentenz anders) entschloss sich der Obmann, den Sammelpunkt für die Otterndorfer nach Borsfleth/Störloch zu verlegen, um dem trubeligen Gedränge aus dem Weg zu gehen. Die Wahl erwies sich als nicht schlecht.
Morgens und abends war in Wedel Hochwasser. Wer die Zeit hatte, davon werden bei dieser Veranstaltung immer mehr, segelte am Freitagvormittag bei frischem Südost und warmer Luft gen Stör. Berufstätige konnten erst am Spätnachmittag in Wedel starten und mussten über längere Zeit den Motor benutzen. Aber alle, es waren schließlich neun Boote, trafen sich noch bei letztem Tageslicht in Borsfleth. Die Frage war, was der nächste Tag bringen würde. Eine Kaltfront wurde erwartet mit Frontgewittern und Windsprung auf West. Nachts erfüllte sich die Vorhersage. Es knallte mehrmals heftig, und Musik kam in die Riggen. Schade, es hatte so schön angefangen. Am nächsten Morgen bestätigten sich die Befürchtungen, dass ein harter Gang bevorstünde. Brunsbüttel Elbe Traffic meldete West 4-5. Das scheint zunächst nicht viel. Doch man weiß, wie sich die Elbe zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven aufführt, wenn Wind gegen Strom steht. Die vier Folkeboote, die teilnehmen wollten, meldeten sich etwas verlegen ab. Sie haben recht getan, wie sich später zeigte. Das Segeln, das den anderen widerfuhr, wäre ihnen nicht gut bekommen.
Es waren also noch fünf Boote, die am späteren Vormittag bei der Tonne St1 nach dem Känguruh-Verfahren starteten. Schlag für Schlag ging es unter Ausnutzung des Ebbstroms mit einem Reff im Großsegel und kleiner Fock westwärts. Natürlich briste es weiter auf. Vor Brunsbüttel kochte bereits die See. „Circle“ kam am besten mit den Verhältnissen zurecht, dicht gefolgt von „Otium“. „Benedictus“ suchte unter dem Neufelder Sand ruhigeres Wasser.
Wegen der vielen Kreuzschläge war das Vorankommen langsamer als geplant, was zur Folge hatte, dass für die ersten bereits bei der Oste die Flut einsetzte. Nun zog sich die Zeit noch langsamer dahin. Die Känguruh-Berechnung war über den Haufen geworfen, gerechte Ergebnisse waren nicht mehr zu erwarten. Dennoch gelangten alle heil ins Ziel und bei schon kräftig gestiegenem Wasser auch problemlos in den Otterndorfer Hafen, wo sie von Heidi Behnke und Jutta Lange mit einem Begrüßungs-Sherry und Schokoladen-überzogenen Schaumköpfen (sie gelten als Liebesbezeugungen von Menschen mit afrikanischem Hintergrund) willkommen geheißen wurden. Bei „Circle“ ließ sich nach Ende der Wettfahrt der Motor nicht starten, und so segelte man kurzerhand in den Hafen, wo zahlreiche helfende Hände warteten.
Jan und Heidi Behnke hatten schon den Grillplatz bunt beflaggt, und auch sonst war der Hafen von gelb-schwarzen Standern dominiert, da bereits etliche SVAOe-Yachten den günstigen Südost des Vortags genutzt hatten, um ohne Wettfahrtbeteiligung anzureisen. Insgesamt fanden sich zusammen: „Alamak“ (Zeiher), „Benedictus“ (Torstrick), „Caribe“ (Vorbau), „Circle“ (Raschdorf), „Erjüst“ (Lange), „Fierboos“ (Körner), „Gaudeamus II“ (Reich), „Kalea“ (Selter), „Luise“ (Lunau), „Nepomuk“ (Gnass), „Otium“ (Nietsch), „Soi“ (Mohr), „Spica“ (Sabban), „Trisanna“ (Behnke), „Wikinger“ (Mackens). Eigentlich müsste man noch die Folkeboote „Nonsuch“ (Wedemeyer), „Spanvogel“ (Pulver), „Talofa“ (Simonsen) und „Tectona“ (Schlöbohm) hinzufügen, die sich in Borsfleth zur Teilnehme angemeldet aber am nächsten Morgen die klügere Entscheidung getroffen hatten, in der geschützten Stör zu verbleiben. Insgesamt war es mit 19 SVAOe- und Gästebooten eine stattliche Flotte, die den 24 „Blaues-Band“-Teilnehmern zahlenmäßig nicht viel nachstand.
Bei dem schönen Wetter wurde das gemeinsame Grillen im Windschutz von Holzwänden und Persenningen zu einer sehr geselligen und lange anhaltenden Veranstaltung. Gewiss, es wurde nach Sonnenuntergang kühl, aber dagegen lässt sich ja was tun. Ausgiebig wurde Gebratenes verzehrt, begleitet von Getränken aller Art. Eine Preisverleihung für Wettfahrten ist in Otterndorf nicht vorgesehen, da beide Wettfahrten gemeinsam gewertet werden und es ja am folgenden Tag noch einmal zur Sache gehen würde. Aber ein Wanderpreis besonderer Art konnte dennoch „an den Mann“ gebracht werden: der „Ältesten-Preis“.
Dieser besteht aus einem bildschönen, von Jan Behnke gefertigten Mahagoni-Kasten, den der letztjährige Gewinner mit einem 5-Liter-Schlauch Rotwein zu bestücken hat. Der „Letztjährige“, Peter Grossmann, hatte seine Pflicht erfüllt. Der Preis stand vergabebereit. Es war nur noch ein Preisträger zu finden, nämlich den ältesten Teilnehmer (auch Frauen können das sein), der auf dem Wasserwege nach Otterndorf gekommen war. Da bei dieser Veranstaltung die Alterspyramide auf dem Kopf steht, musste schon sehr genau auf die Geburtsdaten geguckt werden. „Sieger“, d.h. Ältester war Kurt Peter Gnass mit, man darf es sagen, 81 Jahren. Er erhielt unter viel Beifall das Getränks-Gebinde und wurde auch sogleich zum Anstich aufgefordert. Ein wunderschöner Abend klang langsam aus.
Am nächsten Mittag konnte wegen der Tide erst nachmittags gestartet werden. „Circle“ brauchte einen Schlepp aus dem Hafen, da der Wind im Priel zu spitz stand, um zu kreuzen. Alles klappte, wenn auch mit Verzögerung. Aber dann ging es auf eine sehr schnelle Reise nach Hause. Bei kräftiger Flut und einem Nordwest mit strammen fünf Windstärken liefen alle Boote hohe Fahrt. Allein „Luise“ entschied sich, von Anfang an den Spinnaker zu setzen. Bei den wechselhaften Kursen, die die Elbe vorgibt, musste auf allen Booten viel an den Schoten gearbeitet werden. Auch die Sonne forderte ihren Tribut, und abends wusste wohl jeder, was er getan hatte.
In wenig mehr als vier Stunden war das Ziel nach 40 Seemeilen erreicht, keine schlechte Zeit für die meist nicht ganz neuen Boote. In der Gesamtwertung beider Wettfahrten siegte „Otium“ knapp vor „Circle“ und „Kalea“. Die Preisverleihung findet im Spätsommer im Hamburger Yachthafen statt. Bleibt nachzutragen, dass „Circle“ natürlich das Hafenmanöver in Wedel wiederum unter Segeln einwandfrei hinbekam.
Ergebnisse hier: Ergebnisse_2015_Otterndorf.pdf