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Mit neuen Segeln im Gepäck und großer Vorfreude kamen wir nach 14 Stunden Fahrt in Balatonfüred an, einem kleinen Ort am Plattensee mit vielen Ferienhäusern für die überwiegend deutschen Touristen. Im Balatonfüredi Yacht Club haben wir zunächst das Boot komplett ausgeräumt, um die Spuren der letzten Regatten zu beseitigen. Es sammelt sich doch erstaunlich viel unter dem Bodenbrett an. Die Winschen noch schnell neu eingefettet, das Großfall ausgetauscht, eine neue Winschkurbeltasche angeschraubt... hier und da noch etwas verändert, und dann poliert bis man sich im Boot spiegeln konnte.

Zusammen mit den Crews der Just for Fun" und der „Seglershop" ging es in unsere Villa, ein Haus mit acht Doppelzimmern, Herd und Bad in jedem Zimmer, Pool, Terrasse, kleinem Garten und einem Parkplatz, großfür alle drei Crewbusse. Schnell noch Nudeln gekocht, zwei bis drei Bier dazu, und dann ab ins Bett. Am Frei­tag klingelten um 07.30 die Wecker. Wir wollten möglichst schnell durch die Vermessung und danach entspannt frühstücken. Zum ersten Mal wurden die nagelneuen Segel unter kollektivem Grinsen ausgepackt, statt der bisherigen irischen Segelnummer nun mit unserem GER 5313. Die Vermessung lief ohne Probleme, und wir konnten sofort ins Wasser.

Sonnabend sollte nun endlich auch unsere Steu­erfrau anreisen. Ein kompetenter Trupp machte sich also auf den Weg, um sich durch die Straßen Budapests zum Hauptbahnhof zu kämpfen, aber nach fünf Stunden waren wir endlich vollständig. Die anderen deutschen Crews kamen enttäuscht vom Wasser zurück. Wegen der drehenden Winde und der unkontrollierbaren Böen hatte es keinen Sinn gemacht, die neuen Segel zu setzen und auszuprobieren. Der Abend endete wieder feucht fröhlich in unserer Villa.

Sonntag, wenig Wind, kalt, nichts im Vergleich zu den in der Woche zuvor gemessenen 30°. Das Practice-Race beendeten wir mit dem achten Platz, da wir das Rennen nicht komplett gefahren sind - den Start hatten wir verschlafen. Montag­morgen weckte uns Regen, der senkrecht, ohne jede Windbewegung auf unser Dach pladderte 

Immerhin, dachten wir, wenn schon kein Wind, dann wenigstens Regen. Nach vier Stunden Start-verschiebung schickte uns die Wettfahrtleitung schließlich raus. Nach zwei weiteren Stunden Warten auf dem Wasser durften wir dann wieder in den Hafen motoren. Trotz der null Wettfahrten wurde an Land Freibier verteilt, und wirfeierten den ersten Tag, der schlechter hätte laufen können.

Der Dienstag begann ebenfalls mit zwei Stunden Startverschiebung, es bewegte sich einfach nichts. Die Zeit wurde von der Regattaleitung durch das erste europäische Optiwettpaddeln überbrückt. Jede Nation stellte ein Team aus zwei Paddlern und einem Flaggenhalter, die versuchten als erstes um einen Up-and-down-Kurs zu paddeln. Team Germany konnte sich in beiden Rennen klar vor den anderen Mannschaften behaupten und sicherte sich somit den ersten Europameister-Titel.

Irgendwann kam ein leichter, fast konstanter Wind auf. Wir fuhren gemeinsam mit der „Rotoman" hinaus und konnten auf dem Amwindkurs zum Startschiff perfekt mit ihnen angleichen. Der erste Start war ein Meisterstück, bei Null beim bevor¬teilten Startschiff über die Linie mit freiem Wind. Gesamtrückruf. Der zweite Start lief fast genauso perfekt, und wir konnten gut zu den favorisierten Booten autschließen. Auf dem Ziel-Spi-Gang konnten wir uns vor Grinsen kaum halten: Unsere erste EM, und von 35 Schiffen nur neun vor uns!

Der zweite Start lief weniger gut, wir wurden von den Italienern am Startschiff vorbeigeschickt und mussten nach dem Schuss nochmals halsen, um über die Startlinie zu kommen. Nach der ersten Kreuz guckten wir uns ein wenig verwundert um: Achter am Luvfass? Bei dem Start? Hatten wir irgendwas nicht richtig gemacht? Wir konnten den Platz halten und am Abend unseren ersten EM-Gesamtplatz auf dem 5. Rang feiern. Der Wahnsinn, die anderen deutschen, ungarischen und schwedischen Teams gratulierten uns zu unserem überraschenden Erfolg. Abends traf sich die Mehrheit der europäischen J-Klasse in einem Restaurant, um den Tag und sich selbst zu feiern. Es wurde betont, wie international die Klasse ist, und wie vorbildlich vor allem die deutschen Teams den Nachwuchs bewerben.

Mittwoch bot sich zunächst dasselbe Bild: Der AP-Wimpel ging pünktlich eine Stunde vor Start hoch, und wir verbrachten die nächsten Stunden mit Schlafen, Essen, Drei-Fragezeichen-hören... und einem Mal Wettbewerb, bei dem jede Nation ihre Gefühle und Eindrücke der EM auf einer Bahn Packpapier ausdrücken sollte. Wir entschieden uns für eine Bildfolge aus einer bewachsenen J24, einer Windmühle mit gebrochenen Windrädern und einem AP-Wimpel - und einer Traumblase mit einer J, die auf dem Spi-Gang die anderen Nationen weit hinter sich ließ.

Vor der Urteilsverkündung wurden wir aufs Wasser geschickt, um mitten auf dem Plattensee zwei Stunden rumzudümpeln, bevor Startverschiebung hochgezogen wurde. Am Nachmittag drehte der Wind um 180° und setzte sich schließlich durch, um uns auf eine böige und mit Drehern gespickte Wettfahrt zu schicken. Das Ergebnis war weniger erfreulich, Ein 27. Platz ließ uns in der Gesamt¬wertung auf Platz 12 rutschen. Was eigentlich für uns noch erstaunlich gut war, bedeutete trotzdem ein kleines „Krisengespräch". Was lief falsch? Nach einer lautstarken Unterhaltung konnten wir uns darauf einigen, dass wir den Abend in dem von der EM-Organisation gemieteten Club genießen und am nächsten Tag mit neuem Elan angreifen würden.

Der morgendliche Blick aus dem Fenster brachte auch am Donnerstag keine Änderung: Es herrschte absolut kein Wind. Nach einer halben Stunde Startverschiebung setzte plötzlich ein stetiger Wind ein, wir mussten sogar noch etwas aufs Rigg drehen, um es den vier Windstärken anzu¬passen. Das erste Rennen lief nicht so gut. Wir hatten davor verpasst anzugleichen und sind mit einer Pi-mal-Daumen-Einstellung nur auf dem 24. Platz gelandet. Vor dem zweiten Start haben wir uns noch schnell den „Wolf" geschnappt, um wenigstens zwei Schläge zum Probieren zu haben, bevor es wieder losging. Nach einem mittelmäßigen Start konnten wir uns durch eine rekordverdächtig schnelle Kreuz, an der wir zum ersten Mal die „Rotoman" überholten, den 10. Platz sichern. Und weil es so schön war, wiederholten wir das Spiel im dritten Rennen wieder mit einem Platz 10. Auch in der Gesamtliste kletterten wir von Platz 12 auf 10. Nach dem Freibier im Hafen ging es mit den Seglershoppern, den Wölfen, der Just for Fun-Crew und den Rotomännern wieder zu uns nach Hause, und nachdem die Jungs die Zutaten und Getränke besorgt hatten, verwöhnte Nanni uns alle mit ihren Kochkünsten.

Am letzten Tag sollte es windig werden. So war der Start ein Stunde früher angesetzt. Im Halbdunkeln konnte man frühmorgens die Baumwipfel tanzen sehen, und so wurde noch mal ein Fleece mehr angezogen. Bei neun Knoten Wind fuhren wir zum ersten Mal pünktlich zum Start, suchten uns sofort jemanden zum Angleichen und bereiteten uns auf die letzten drei Wettfahrten vor. Wir hatten uns vorher die Boote rausgesucht, die wir noch überholen mussten, um noch einen der Preise zu bekommen, die es nur bis Platz sechs gab. Wir beschlossen, uns bei Gelegenheit auf jedes dieser Boote raufzulegen, es zu unterwenden, hochzuluven, und alles zu versuchen, um uns diese Punkte zu holen. Leider machten uns der Wind und die zuwenig Kilos auf der Kante dann doch etwas zu schaffen. So hatten wir Probleme die Böen auszusteuern und die Höhe zu halten, ansonsten waren wir pfeilschnell. Ein unglücklich verdrehter Spi kostete uns wertvolle Plätze, so dass wir nur als 17. durchs Ziel gingen. Beim zweiten Rennen waren wir noch angespannter. Wir hatten noch zwei Möglichkeiten, um Punkte zu holen. Nach Nullstart und der ersten Kreuz auf die richtige Seite fragte Tania (Taktik), wie es denn in Lee aussehen würde. Viele Boote. Kommen die vor oder hinter uns durch? Hinter uns. Dann sind wir gerade Erster...

Was? Nachdem sich jeder nervös umgeguckt hatte, wurde uns langsam klar, dass Tania Recht hatte und wir wirklich grade an der Spitze des EM-Feldes fuhren! Das Luvfass kam näher, und wir ermahnten uns gegenseitig zur Konzentration. Jetzt bloß keinen Fehler machen! Das Spimanöver klappte, und wir gingen tatsächlich als Erste um die Tonne. Auf dem Downwindkurs beobachteten wir jede Bewegung der hinter uns segelnden „Rotoman", um auf jeden Fall zwischen ihr und dem Lee-Gate zu bleiben. Zweimal versuchten sie uns hochzuluven, wobei die hinter ihnen liegenden Schweden aber aufschlossen, was sie wieder zum Runterfahren zwang. Nach diesem nervenaufreibenden Spi-Gang schafften wir auch die Leetonnenrundung als erster. Auf der zweiten Kreuz fuhren wir, wie schon bei der ersten, wieder auf die linke Seite. „Rotoman" und „Seglershop" fuhren rechts raus und kamen 100 Meter vor dem Luvfass auf Backbordbug auf uns zu. Als wir noch überlegten, ob es vielleicht passen könnte oder ob wir ducken sollten, wurde uns die Entscheidung abgenommen, und beide Boote unterwendeten uns. Wir konnten zwar den Speed, nicht aber die Höhe halten und sackten immer weiter unter die „Rotoman". Da wir auch noch Überhöhe hatten, wollten wir nicht noch einmal wegwenden. Wir fuhren also einmal unter ihnen durch, um wieder freien Wind zu haben, rutschten diesmal aber unter die „Seglershop". Während wir bei beiden Booten an Geschwindigkeit verloren hatten, schafften es die Schweden in Luv an uns vorbei und gingen nach „Rotoman" und „Seglershop" als Dritter um die Tonne. Nach einer Eieruhr im Spi und zwei weiteren Booten die uns überholen konnten, starteten wir den letzten Angriffsversuch auf dem Reacher ins Ziel und luvten noch einmal richtig an, um über die anderen rüber zu fahren und uns dann ins Ziel sacken zu lassen. Leider verpassten wir um eine Bugspitze den fünften, konnten uns aber über den sechsten Platz auch riesig freuen.

Beim letzten Rennen waren wir nicht weniger angespannt. Nach einer guten Kreuz verloren wir leider dank einer riesigen Eieruhr im Spi die Boote, auf die es ankam, und kamen als 18. ins Ziel. Im Hafen wurde zunächst das Boot schnell abgebaut und verladen. Danach wurde auf unsere erste Europameisterschaft, einen 14. Platz von insgesamt 35 Teilnehmern, unseren Titel als „Europameisterinnen" (die Ungarinnen hatten wir versegelt), die Crew der „Seglershop" als Europameister, die Crew der „Rotoman" als Vize und auf eine super Veranstaltung angestoßen.

 Sonnabendmorgen wurde dann unsere J24-WG zur Erleichterung unserer Vermieterin, die jetzt endlich wieder durchschlafen kann, aufgelöst. Nach einer problemlosen Fahrt kamen wir um 01.00 Uhr Nachts in Hamburg an. Und was macht man nachts nach einer erfolgreichen Regatta? Boot und Bus abgestellt und anschließend auf Europameister, Vize-Europameister, und die Europameisterinnen angestoßen... 

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